Neuware bestellt, gebrauchte Ware erhalten

In den letzten Jahren müssen wir als IT-Dienstleister immer mehr Lieferung ablehnen und zurücksenden, weil die Ware gebraucht ist, defekt ist, oder ganz dreist Fakeprodukte geliefert wurden. Einen aktuellen Fall mit Seagate Festplatten werden wir hier näher beleuchten.

Oft werden wir von Kunden gefragt, warum bei uns die Festplatte oder SSD zum nachrüsten teurer ist, als das günstigste Angebot im Preisvergleich online.

Zum einen liegt das daran, das wir die Ware bestellen, kontrollieren und faktorieren müssen. Die Ware durchläuft also unser Unternehmen und wir als IT-Dienstleister müssen dann auch gegenüber dem Kunden die Gewährleistung übernehmen und tragen auch das Risiko, das die Ware überhaupt in Ordnung bei uns ankommt bzw. überhaupt geliefert wird.

Der Kunde spart sich also diese Schritte selbst durchzuführen und das Risiko ist auf uns verlagert.

Welche Probleme uns täglich beschäftigen

  • defekte Ware
  • Fakeprodukte
  • gebrauchte Ware
  • gebrauchte Ware die als Neuware deklariert wird

Hin und wieder erhalten wir Ware, die bereits von Anfang an defekt ist. Diese Quote ist aber tatsächlich im geringen einstelligen Prozentbereich und für uns als Problem vernachlässigbar. Die Ware wird so gut wie immer problemlos vom Händler oder Hersteller umgetauscht.

Schwieriger ist es mit den sogenannten Fakeprodukten. Früher waren es CPU's die umgelabelt wurden, später kamen Grafikkarten dazu und mittlerweile sind es vor allem SSD's, USB-Sticks und microSD-Karten.

Dabei werden von Fragwürdigen Händlern 4 TB USB-Sticks für wenige Euro verkauft oder gleich andere Produkte vollständig samt Verpackung imitiert.

Die USB-Sticks zeigen auch beim Anschluss an den Computer mehrere TB an Speicherkapazität an, aber der Speicherchip ist manipuliert und hat tatsächlich nur wenige Megabit oder Gigabite. Dateien die auf solche USB-Sticks gespeichert werden, gehen verloren weil der kleine Speicher immer wieder überschrieben wird.

Bereits 2019 hat Heise dazu einen Artikel veröffentlich, den ihr unter folgendem Link findet.

Immer wieder erhalten wir bereits gebrauchte Ware als Neuware. Es handelt sich also um Warehousedeals, die uns jedoch als Neuware verkauft werden.

Diese Ware war schon mal bei einem Kunden und der hat die aus unterschiedlichen Gründen zurückgesendet. Oftmals, weil die Ware nicht richtig funktioniert. Geprüft werden diese Rücksendungen jedoch oft nicht, da es sich einfach nicht lohnt für den Händler. Die Ware wird also so oft verkauft, bis ein Kunde sie eben nicht mehr Reklamiert.

Daher nehmen wir offensichtlich bereits geöffnete Ware nicht an und senden diese umgehend zu unserem Händler zurück.

Das heißt nicht das jeder Warehousedeal schlecht ist, aber es ist im Unternehmensbereich einfach nicht wirtschaftlich, diese zu prüfen. Der Aufwand ist oft um ein vielfaches höher als der eigentliche Warenwert und eine Prüfung solcher Hardware zahlt uns kein Kunde.

Zu guter letzt kommen wir auf das Thema gebrauchte Ware, die als Neuware deklariert wird.

Aktuell betrifft das vor allem Festplatten. Hier werden im großen Stiel gebrauchte Festplatten von den Herstellern selbst aber auch von anderen Unternehmen Generalüberholt.

Während die Hersteller selbst die Festplatten kennzeichnen und als recertified bezeichnen, sind auch immer mehr Festplatten als Neuware im Umlauf, bei denen das eben nicht gekennzeichnet ist und nicht ersichtlich ist. Auf dieses Problem wollen wir näher eingehen.

Das Problem mit den recertified Festplatten

Diese Festplatten wurden Generalüberholt und werden in der Regel wesentlich günstiger Angeboten. Die SMART-Werte werden dabei zurückgesetzt. Dadurch entsteht zumindest laut diesen Werten der Eindruck, das es sich um eine neue Festplatte handelt.

Es ist ziemlich gut vergleichbar mit der Manipulation eines Tachos im Auto.

Wie bereits beschrieben, gibt es diese Generalüberholten bzw. recertified Festplatten auch von den Herstellern selbst und diese werden dann auch wesentlich günstiger verkauft und sind auch als solche gekennzeichnet. Wen man das wissentlich kauft, ist das auch kein Problem.

Problematisch wird es, wenn die Kennzeichnung fehlt, die Ware den anschein von Neuware macht und der Händler diese auch als Neuware verkauft.

Wie wir aktuell selbst davon betroffen sind

Wir haben im Dezember 2024 fünf Seagate Exos Festplatten von dem Modell ST16000NM001G-2KK103 bei einem großen deutschen Händler als Neuware gekauft.

Es gab keine Kennzeichnung auf der Webseite das es sich um gebrauchte Ware handelt, keine Hinweise auf OEM oder recertified Ware.

Der Stückpreis lag ca. 80 € über den recertified Angeboten anderer Händler.

Bereits beim auspacken viel auf, das die Gehäuse ganz minimale abschürfungen aufweisen. Die Platine mit den Anschlüssel jedoch sah absolut neu aus. Die Festplatten waren als Bulkware verpackt, das heißt nur in einer eingeschweißten Folie. Die sah tatsächlich so aus, wie es auch von Herstellern üblich ist für OEM bzw. Bulkware.

Die SMART-Werte waren unauffälig und wie man es für neue Festplatten erwartet mit einem Power On Count 1 und Power On Hours 1. Je nach Hersteller können bei neuen Festplatten diese Werte bereits bei 2 oder 3 liegen.

Und so lagen die fünf Festplatten bei mir seit Dezember auf der Seite, da ich einerseits Zweifel an der Neuware hatte, aber andererseits auch keine konkreten Hinweis auf recertified Ware vorlag. Da mir die Zeit fehlte, hatte ich mich auch noch nicht an den Hersteller gewendet.

Heise veröffentlichte zwischenzeitlich den Artikel Achtung Betrug: Gebrauche Seagate Festplatten als Neuware im Umlauf und beschreibt zum einen was wir selbst seit Dezember auf dem Tisch liegen haben und gibt auch Hinweise wie man mit dem Tool smartctl unter Windows wie auch Linux die FARM-Werte von Seagate Festplatten auslesen kann.

Diese FARM-Werte enthalten im Gegensatz zu den SMART-Werten die sehr warscheinliche tatsächliche Laufzeit.

Mit smartctl die FARM-Werte auslesen

Die FARM-Werte können nicht bei allen Herstellern und Modellen ausgelesen werden. Bei Seagate mit der Modellreihe Exos funktioniert dies.

Die smartmontolls können direkt bei Github über folgenden link heruntergeladen werden.

Nach der Installation unter Windows starten wir die CMD mit Adminrechten und schauen uns die verfügbaren Laufwerke mit folgendem Befehl an:

smartctl --scan

In unserem Fall hat ist die Seagate Festplatte unter /dev/sdb erreichbar. Nun können wir den Scan wie folgt ausführen:

smartctl -l farm /dev/sdb

Anschließend werden sämtliche FARM-Werte angezeigt und wir navigieren zur Zeile Power On Hours. Diese können wir mit der Ausgabe der SMART-Werte vergleichen. Dafür habe ich das Tool CrystalDiskInfo genutzt, das geht aber genauso mit smartctl über folgenden Befehl:

smartctl -a /dev/sdb

Ergeben sich wie in unserem Fall offensichtliche Unterschiede zwischen SMART und FARM, liegt der Verdacht nahe, das die Festplatte recertified wurde und die Spuren so gut wie möglich verwischt wurden.

In unserem Fall haben alle 5 Festplatten eine Laufzeit von 21418 bis 22606 Stunden. Das entspricht fast 2,5 Jahre Laufzeit für Festplatten die als Neuware verkauft wurden.

Fazit

Es ist nicht immer möglich anhand des Preises solche maniuplierte Ware zu erkennen. Auf der einen Seite obliegt es bei uns die Lieferanten sorgfältig auszuwählen, aber auf der anderen Seite verbleibt ein Restrisiko und wir müssen jeden Wareneingang prüfen.

Da davon viele große Namhafte Händler betroffen sind, kann man davon ausgehen das bereits deren Lieferketten die manipulierte Ware in Umlauf gebracht haben. Es ist also gar nicht so einfach den Schuldigen ausfindig zu machen. Mit diesem ausführlicheren Beitrag möchten wir zum einen unsere Kunden auf das Thema aufmerksam machen aber auch alle anderen dafür sensibilisieren.


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